Linux oder doch nicht? Mein Vor-Ort-Service für eine Studentin an der PH Linz
Ich habe der sechsten Seite meines Leistungskatalogs ein stilles Denkmal gesetzt: Linux. Warum? Weil’s legitim ist. Seit 2017 betreibe ich einen Ubuntu-Blog, privat wie geschäftlich laufen meine Systeme fast durchgehend auf Debian-Derivaten – stabil, leise, effizient. Und wenn’s mal richtig kompliziert wird, hätte ich sogar jemanden in der Hinterhand, der für knifflige Netzwerk-Probleme unter Linux ins Feld ziehen könnte. Aber ich war von Anfang an realistisch: „Das bucht in Linz eh keiner.“ Und wie sich zeigt – die Realität gibt mir recht. Die meisten Rechner, denen ich hier begegne, atmen tiefstes Windows – manchmal so tief, dass sogar noch XP auftaucht. Dank meiner Arbeit jetzt zumindest ein Exemplar weniger.
Umso mehr war ich überrascht, als eine WhatsApp-Nachricht eintraf. Absenderin: eine junge Frau, die ich im Folgenden einfach Hanna nenne.
Hanna: „Ihr machts a Linux?“
Ich: „Ja! Installation, Wartung, Einrichtung von Apps und Peripherie – was darf’s sein?“
Hanna: „Ich studier an der PH. Mein Prof hat gemeint, wir sollten mehr Linux nutzen.“
Hanna: „Ich hab euern Flyer gesehen und wollt fragen, ob ihr Linux macht.“
Ich: „Hier ist der Link zum Leistungskatalog – Seite 6 sind unsere Linux-Leistungen.“
Hanna: „Da steht nix von Linux.“
Ich: „Stimmt! Wir haben uns auf Ubuntu spezialisiert – das ist in den DACH-Staaten am weitesten verbreitet und hat eine hohe Kompatibilität mit Hard- und Software.“
Hanna: „Na, des muss schon Linux sein.“
Hanna: „Mei Prof hat explizit von Linux geredet – des mit dem Pinguin.“
😑 Ich: „Stell dir einen Menschen vor: Alles, was du nicht siehst – also Skelett und Organe – ist bei allen gleich. Das ist Linux. Das Äußere, also Kleidung, Frisur usw., ist unterschiedlich – das sind die Distributionen. Ubuntu, SteamOS, Fedora, openSUSE … es gibt über 500 verschiedene.“
Hanna: „Des kann scho alles sein, aber wenn, brauch ich des originale Linux.“
😑 Ich: „Wenn der Name Linux drinstehen soll, kann ich dir z. B. Linux Mint (basiert auf Ubuntu) oder MX Linux (basiert auf Debian) installieren. Ich will dir nix aufschwatzen – wenn du magst, kümmere ich mich auch einfach um dein Windows-Notebook. Aber vielleicht fragst du deinen Prof einfach nochmal, was genau er meint.“
Hanna: „Na, bei mir is Windows 10 drauf. 11 schafft er nimmer, und der Prof hat halt Linux gemeint. Vielleicht meld ich mich nochma.“
So langsam verstand ich, warum viele IT-Dienstleister auf kostenpflichtige Hotlines oder KI-gesteuerte Sprachbots setzen. Die unentgeltliche Aufklärungsarbeit frisst Zeit – und oft geht’s den Leuten eigentlich nur darum, sich kostenlos eine Bedienungsanleitung rauszuziehen. In diesem Fall war’s okay. Wenn’s um Linux geht, fühl ich mich in Linz manchmal wie ein Missionar – obwohl das nicht ganz stimmt: Ich mag Windows genauso. Ich bekehre niemanden zum Pinguin, ich will nur ein bisschen mehr Vielfalt in Oberösterreichs Betriebssystemlandschaft bringen.
Einige Tage später meldete sich Hanna wieder – diesmal in deutlich formellerem Ton. Aus dem lässigen „Machts a Linux?“ war plötzlich etwas geworden, das klang wie aus einem Amtsgang am Magistrat.
Hanna: „Hallo, ich habe Rücksprache gehalten. Mein Prof sagte, dass Ubuntu ginge. Könntest du auch direkt in die PH kommen, Ubuntu installieren und es mir ein bisschen erklären?“
Ich: „Hi, ja – alles kein Problem. Möchtest du, dass ich Ubuntu neben Windows 10 installiere, sodass du beim Start auswählen kannst, oder soll Windows ersetzt werden?“
Hanna: „Auf dem Notebook soll kein Windows mehr sein.“
Wir vereinbarten einen Termin. Treffpunkt: erstes Obergeschoss der Pädagogischen Hochschule in der Kaplanhofstraße. Hanna erschien im schwarzen Trainingsanzug mit Cappy – als würde sie gleich irgendwas Illegales durchziehen. An ihrer Seite eine Kommilitonin, die mit Nickelbrille und akkurat geschnittenem Bob so aussah, als würde sie im Hintergrund für beide die Hausarbeiten schreiben.
Doch bevor Hanna den Auftrag unterschrieb, ging das Tänzchen wieder los:
Hanna: „Also Ubuntu ist wirklich Linux?“
😑 Ich: „Ja. Wir können auch kurz ChatGPT auf meinem Laptop fragen.“
In Gedanken: Das hättest du in den letzten sieben Tagen auch selbst googeln können.
Hanna: „Na, wenn du des sagst, passts scho. Ich will halt wirklich Linux und nix anders.“
In diesem Moment war sie wieder da – die ursprüngliche Hanna. Keine Amtsformeln, keine verkopfte Unsicherheit – nur die direkte, ungebremste Art vom ersten Kontakt.
Ich: „Wenn Ubuntu installiert ist, alles eingerichtet und die Updates laufen, wirst du sehen – das Wort Linux steht an jeder Ecke.“
Hanna: „Ja dann passts. Dann mach.“
Bevor sie es sich anders überlegen konnte, war mein Installationsstick schon im Notebook und Ubiquity gestartet. Ihre Kommilitonin stand still daneben, sagte kein Wort – und plötzlich wurde mir klar, an wen sie mich erinnerte: an Marcie aus Charlie Brown.
Auf dem Auftrag stand schlicht „Ubuntu installieren“. Erst während des Setups fiel mir auf, dass ich Hanna gar nicht gefragt hatte, ob sie den Systemdatenträger verschlüsseln will.
Ich: „Es tut mir leid – ich hätte dich noch fragen müssen, ob ich Ubuntu mit Verschlüsselung installieren soll. Gerade bei einem Notebook wäre das sehr zu empfehlen. Wir müssten dafür aber einen neuen Auftrag schreiben, weil das eine eigene Leistung ist.“
Hanna: „Na, des brauchts ned. Ich bin die Einzige, die das Notebook benutzt.“
Ich: „Du nutzt es in der Uni, in der Bibliothek, in Kaffeehäusern … vielleicht auch mal in einem Hotel oder irgendwo im Urlaub, oder? Wenn du auf die Toilette gehst, nimmst du ja nicht dein ganzes Zeug mit. Du meldest dich einfach ab, der Bildschirm sperrt sich – und beim Zurückkommen gibst du dein Passwort ein. Richtig?“
Hanna: „Ja, so wie du sagst. Ich klapp’s halt zu.“
Ich: „Okay. Und wenn dir in genau dem Moment jemand das Notebook klaut, sind ohne Verschlüsselung alle deine Daten offen zugänglich. Als junge Frau wärst du ein besonders lohnendes Ziel – die suchen nicht nach PDF-Dateien, sondern nach kompromittierenden Bildern. Solche Sachen landen dann in Erpressungs-E-Mails, nennt sich Sextortion.“
Hanna: „Oida, echt jetzt? Sowas gibt’s?“
Ich: „Klar. Aber du bist eh auf der sicheren Seite – als Studierende erhältst du bei mir 20 % Rabatt auf alle Leistungen. Wir schreiben kurz einen neuen Auftrag, und du bekommst für unter 100 Euro ein perfekt eingerichtetes Ubuntu mit voller Datenträgerverschlüsselung. Danach kannst du überall entspannt aufs Klo gehen.“
Hanna (blickt zu Marcie): „Was meinst?“
Marcie: „Macht schon Sinn.“
Während der Installation sprach Hanna plötzlich über Nachhaltigkeit – wie sinnvoll es doch sei, kein neues Windows-Notebook zu kaufen, sondern auf Linux zu setzen. Es klang ein wenig so, als wolle sie Marcie damit überzeugen, selbst auch den Sprung zu wagen.
Marcie: „Ähm, eine Frage – ist diese Verschlüsselung bei Windows 11 mit drin?“
Ich: „Ab Windows 11 Pro ja. Muss aber meist erst aktiviert werden.“
Ich reichte Marcie eine laminierte Version meines Leistungskatalogs.
Ich: „Hier, ab Seite 7 beginnen die Windows-System-Leistungen.“
Ich: „Installation fertig! Hanna, du bist jetzt stolze Besitzerin eines Linux-Systems.“
Hanna: 😁
Ich: „Was dir dein Prof vermutlich nicht gesagt hat: Die Akkulaufzeit ist unter Linux meist schlechter als unter Windows. Ich konfiguriere dir jetzt ein paar Energiesparmechanismen, damit du möglichst lange durchkommst. Hier oben ist die Leiste – damit kannst du die Bildschirmhelligkeit regeln. Wenn du im Dunkeln arbeitest, mach’s bitte auch dunkel – gut für die Augen, gut für den Akku.“
Hanna: „Ah, okay. Kannst du mich gleich ins eduroam bringen und die Daten von meinem Stick kopieren?“
Ich: „Ich bring dich ins WLAN, installiere die Updates und zeige dir kurz, wo alles ist. Für den Daten-Transfer bräuchten wir eigentlich wieder einen Auftrag – aber glaub mir, das schaffst du selbst. Ich muss nämlich bald zum nächsten Kunden.“
Hanna: „Zeig mir – wo seh ich, dass es wirklich Linux ist?“
😑 Ich: „Du öffnest das Terminal hier und gibst diesen magischen Befehl ein: cat /proc/version
“
Dort stand es nun, weiß auf magentafarbenem Terminal-Hintergrund:
Linux version 6.8.0–59-generic
Hanna: 😁
Marcie: 😶
Ich: „Darf ich dir die Rechnung nachhaltig an deine E‑Mail schicken?“
Hanna: „Was? … Öh, ja.“
Während ich zusammenpackte, sagte Hanna gefühlt zwanzigmal: „Wie cool!“ Für einen kurzen Moment hatte ich den Impuls, ihr wie Xzibit bei Pimp My Ride ans T‑Shirt zu greifen und zu sagen: „You are officially pimped!“ Aber ich ließ es bleiben. Dieser Humor war vermutlich nicht Gen-Z-kompatibel – und so verabschiedete ich mich professionell.
Fazit
Hanna ist die Art Mensch, der zuerst springt und erst danach fragt, wie tief’s ist – wach, entschlossen und garantiert nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Ich bin mir sicher: Sie wird sich in Ubuntu schneller einfinden, als man „Terminal“ sagen kann.
War’s heldenhaft? Von Linus Torvalds über Mark Shuttleworth und René Rebe bis hin zu Leo XIV. würden vermutlich alle mit einem deutlichen Ja antworten. Hanna: sichtlich glücklich. Marcie: bestimmt bald die Nächste. Und der ominöse Prof? Hoffentlich stolz wie Oskar.
Ein schöner Einsatz – zwischen all den Drucker‑, WLAN- und Virusproblemen, mit denen ich mich sonst herumschlage, war das fast schon eine kleine Erweckung.